Schatzkammer Allerhand Versalien Lateinisch vnnd Teutsch

FUNDSTÜCK:
 
Schatzkammer Allerhand Versalien Lateinisch vnnd Teutsch : allen Cantzleyen Schreibstuben Notarien Schreibern … zudienst … 
Autor / Hrsg.: Franck, Paulus ; Kiermeier-Debre, Joseph
 
Verlagsort: Nürmberg | Erscheinungsjahr: 1601 
Verlag: Bauer
Signatur: Regensburg, Staatliche Bibliothek — 999/2Art.45
 
 
„Genaue Angaben über das Leben von F. fehlen. Sein Verleger erwähnt Adam Strobel und Augustin Wildsau, Nürnberger Schreib- und Rechenmeister, als seine Lehrer. Nach Th. Hampe hat F. Memmingen, vermutlich wegen eines Totschlages, 1595 verlassen und nach Nürnberg zurückkehren müssen; indessen nennt sich F. noch 1601 „Burger Modist und Rechenmeister von Memmingen“ (Modist = Schreiblehrer „modis in diversis“) auf dem Titelblatt seiner „Schatzkammer Allerhand Versalien Lateinisch und Teutsch …“. Dieses Werk besteht aus in der Mehrzahl deutschen, das heißt Frakturcharakter zeigenden in Holz geschnittenen Initialen. Die gegenstandslosen Linearkompositionen dieser spezifisch deutschen Kunst (die auf der Lateinschrift begründete außerdeutsche Kalligraphie bezog die Figur von Mensch, Tier und Pflanze in ihre Schreiberzüge ein) erlebten um 1600 eine von den Zeitgenossen als bedeutsam empfundene Aktualität, denn nach F.s Buch erschienen im Abstand von wenigen Monaten zwei polemische Veröffentlichungen anderer Autoren zum gleichen Thema. Unter ihnen (Anton Neudörffer, Ch. Fab. Brechtel) ist F. nicht der „modernste“, zweifellos aber derjenige, der seiner Formensprache eine persönliche und sehr expressive Note gibt.“

Einer der überraschendsten Aspekte des Franck/Bauer-Buches ist, dass die pompösen Buchstabengrafiken von Holzschnitten (hergestellt aus geschnitzten Holzstöcken) gedruckt wurden. Aber diese Art von detaillierten Schnörkeln und Verzierungen wird normalerweise mit dem Kupferstich in Verbindung gebracht, soweit ich das je gesehen habe. In einer Kurzbiographie von Paulus Franck, die auf der Seite der Bayerischen Staatsbibliothek verlinkt ist, wird das grafische Drucksystem des Buches ausdrücklich als Holzschnitt bezeichnet. Ein leichter Hinweis auf diese Holzschnitttechnik wird ansonsten durch das Fehlen von Plattenspuren um die Druckgrafik herum angedeutet. Der hohe Druck, der erforderlich ist, um ein Bild von einem eingefärbten Kupferstich in einer Druckpresse auf ein Blatt Papier zu übertragen, hinterlässt fast immer Spuren am Rand der Illustrationsplatte. Der Kupferstich ist eine Tiefdrucktechnik, bei der die Illustrationslinien in die Oberfläche geschnitten werden; Holzschnitte dagegen sind Reliefdrucke, bei denen die Illustrationslinien nach oben gerichtet sind und daher weniger Druck benötigen, um die Farbe auf eine Seite zu drücken. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass diese Bilder beschnitten und neu montiert wurden, was die Plattenspuren plausibel verbergen könnte. Zuerst glaubte ich, dass die grafischen Formen mit der damals beliebten, von Goldschmieden geführten Gravurtechnik gedruckt wurden, die man Schwarzdruck nennt (eine andere Art des Kupferstichs mit tieferen Fugen und sehr schwarzen Linienformen). Aber das sind sie nicht; es sind Holzschnitt-Illustrationen, ausgeführt von einem hervorragend ausgebildeten Druckkünstler.

In der Einleitung gibt Bauer dem Leser/Betrachter kurze Hinweise zu den Unterscheidungsmerkmalen und empfohlenen Verwendungszwecken der sieben Klassen von Großbuchstabenschriften, die – in dieser Reihenfolge – im Buch abgedruckt sind. (Beachten Sie, dass die Abbildungen oben nicht in der gleichen Reihenfolge sind, in der sie im Buch erscheinen) Das erste Alphabet weist Locken und Windungen auf und ist für die Verwendung in Wappen und feudalen Landurkunden gedacht. Die zweite Form trägt ein Dublettenmuster von Hauptstrichen zur Verwendung in Epitaphien und Tafeln. Die dritte Gruppe – ein gotischer Stil – war für die Verwendung von Schreibern in der allgemeinen Briefschreibung gedacht. Die vierte Gruppe umfasst leicht zu erlernende, breite und kurze Buchstaben, deren Anwendung meines Wissens nicht angegeben ist. Die fünfte Gruppe enthält eine Vielzahl von germanischen Schriften, die in vielen Situationen eingesetzt werden können. Die sechste Gruppe besteht aus lateinischen Majuskeln (Grossbuchstaben), bei denen sich Bauer die ihm zusagende kursive Variante aneignete, die von Schreibern in Italien, Frankreich und den Niederlanden für heraldische Zwecke verwendet worden war.

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Das ganze Werk (146 Seiten) kann auch als PDF heruntergeladen werden.