Kalligraphie: Familienchronik

Herr N. trat im Herbst 2020 mit mir Kontakt mit der Anfrage, ob ich seine Familienchronik – ein mit Leder eingebundenes, antikes Buch – mit zwei Seiten ergänzen könnte und möchte.

Die Einträge, welcher ein unbekannter Kalligraph für die Familie N. lange Jahre geführt und geschrieben hatte, gehen bis ins Jahr 1603 zurück. Ausfindig machen liess sich dieser Schreiber nicht mehr.

Herr N. und sein Bruder wollten seit Jahren ihre Familienchronik ergänzen. Doch wer sollte das machen? Ich schaute mir also das Buch an und befand – ja, das kann und mache ich sehr gerne.

Natürlich war ich mir der Verantwortung und Einmaligkeit bewusst. Da macht man nur einmal etwas falsch – und das Werk ist ruiniert.
Ich näherte mich der Aufgabe langsam und bedingte mir aus, keinen Liefertermin einhalten zu müssen. So war ich frei und konnte genau dann arbeiten, wenn alles bedingungslos stimmte und passte.

Zuerst studierte ich sorgfältig die Schrift, eine Interpretation der Textur/Fraktur mit Verschnörkelungen. Ich freundete mich mit diesen Buchstaben an und schrieb in diesem Stil immer wieder die Namen der einzutragenden Personen.
So langsam nahm die Sache Form an, ich entwarf und gestaltete ein paar Mal die Zeilen auf separatem Papier. Dann war es soweit: ich bereitete das Buch akribisch vor.

Hier drei Muster bestehender Seiten im Buch.

Aus Diskretionsgründen wurden gewisse Namen unkenntlich gemacht.

Zuerst behandelte ich die Seiten mit pulversierte Gum Sandarac. Dies wird bei saugendem Papier oder Pergament aufgepudert und mit der flachen Hand sanft verteilt und eingerieben. Somit wird die Oberfläche trocken versiegelt und die Tinte oder Tusche tritt nicht mehr in der Untergrund ein, was schöne scharfe Striche zur Folge hat.
Dann zog ich die feinen, genau berechnete Bleistiftlinien und es konnte losgehen: Mit Bandzugfeder und Tusche. Nachdem alles Geschriebene gut durchgetrocknet war kam die Spitzfeder zum Einsatz. Achtsam setzte ich die Schnörkel. Nicht zu wenig, nicht zu viel …

Das Leuchten in den Augen der Besitzer, als sie ihr Buch wieder abholten, bestätigte mir: Meine Umsetzung war gelungen. Eine der bisher herausfordernsten Aufgaben, welche mir viel Freude bereitete und auch Mut zu mehr vermittelt hat.

Dies die zwei neuen Seiten. Auf einen andersfarbigen Initialbuchstaben wurde von Auftraggeberseite verzichtet.

Aus Diskretionsgründen wurden gewisse Namen unkenntlich gemacht.